ZKM | Museum für Neue Kunst, 17.09.2011 – 05.02.2012
 
Matthias Gommel
* 1970 in Leonberg (DE), lebt und arbeitet in Karlsruhe (DE)


Untitled (Passage), 2011

An Orten des öffentlichen Lebens werden zuweilen Strukturen errichtet, die die Zugänge und Wege definieren, an die sich Menschen zu halten haben. Barrieren und Kontrollen schränken die Bewegungsfreiheit drastisch ein, sollen aber gewährleisten, dass die Wege der Menschen geordnet verlaufen und letztendlich alle ihr Ziel erreichen. Matthias Gommel hat für die Ausstellung The Global Contemporary. Kunstwelten nach 1989 eine Arbeit entwickelt, die ein solches Element der Ordnung aufgreift: das Personenleitsystem, wie wir es beispielsweise sowohl von Flughäfen als auch aus Museen kennen. Praktisch betrachtet, sind diese Leitsysteme ein Ärgernis. Sie stellen eine Barriere, eine Distanz zwischen uns und unserem Ziel dar, ob es sich nun um ein Kunstwerk handelt oder um ein Flugzeug. Zugleich verweisen sie auf das Besondere, das hinter ihnen liegt; ist erst das Labyrinth der ordnenden Bänder überwunden, scheint die Welt dahinter offenzustehen.
Diese Zweideutigkeit des verheißungsvollen Hindernisses könnte als symptomatisch für das zeitgenössische Dasein im Transit zwischen immer neuen Orten und Lebensentwürfen interpretiert werden. Der Nichtort des Leitsystems wird so zu einer Metapher der ewigen Reise, und das uniforme Spiel der Sperrgurte zum Spiel der Wellen des Ozeans, auf dem die Reise stattfindet. Wie in dem alten Lied A Life on the Ocean Wave, das hier zu lesen und zu hören ist, tritt in einem Leben im Transit die Notwendigkeit einer Ankunft oder eines Ziels in den Hintergrund; es bleibt eine romantische Vision, der aber eine gewisse Tragik innewohnt, denn der Aufbruch in die Ferne ist noch heute oft eine Flucht vor unwürdigen Lebensumständen, an die ein endloser Zustand des Übergangs inmitten von Bürokratie und Illegalität anschließt. Auch die zeitgenössische Kunst, in der Mythen der Ferne skeptisch betrachtet werden, gerät zwischen das Romantische und das Tragische. Auf das hier zitierte Lied spielt nicht zuletzt der Name „Ocean Wave“ an, den der niederländische Künstler Bas Jan Ader für ein kleines Boot wählte; 1975 fuhr er für die Performance In Search of the Miraculous darin auf den Atlantik hinaus und gilt seitdem als verschollen. (JB)
gommel_neu1

gommel_neu2

gommel_neu3

gommel_neu4
Untitled (Passage), 2011